In der soeben veröf­fent­lichten zweiten Marktstudie über Preis- und Auftragsverhandlungen für Maschinen und Ausrüstungsgüter 2013 / 2014 zeigt sich, dass zusätzlich zu einer Value Based Selling Strategie auch die Lieferflexibilität zum entschei­denden Wettbewerbsfaktor wird. Durch die immer komple­xeren Verhandlungsprozesse für die Auftragsvergabe sind die Maschinenbauer oft schon vom Start weg im Verzug. Dies zeigte sich bei der Auswertung von 156 Interviews mit dem Fokus auf Auftragsverhandlungen zwischen deutschen Fabrikausrüstern und ihren Großkunden aus der Automobilindustrie sowie aus anderen Branchen.

Autoren: Professor Dr. Marco Schmäh (ESB Business School Reutlingen) und Dipl. Kfm. Hans-Andreas Fein (Unternehmensberatung Stuttgart)

Der Trend zu globalen Beschaffungsstrategien der Einkäufer nimmt weiter zu. Dabei verschärft die Globalisierung den Preiskampf zusätzlich und führt oft zu einem deutlich längeren Verhandlungsprozess. Auch für Investitionsgüter holen Konzerneinkäufer  Vergleichsangebote aus aller Welt ein, um die heimi­schen Anbieter unter Preisdruck zu setzen. So ist bald jeder Fabrikausrüster heute mit Konkurrenten aus fernsten Ländern konfron­tiert. Das gilt auch dann, wenn er selbst keine Aktivitäten im Ausland betreibt. Die beauf­tragten Einkäufer wollen einfach „so billig wie möglich“ beschaffen, klagen immer mehr Maschinenbauer. Dabei zeigt sich, dass Technologie-Spezialisten sowie Anbieter kunden­spe­zi­fi­scher Sondermaschinen über eine wesentlich stärkere Verhandlungsposition als Fabrikanten von Standardmaschinen oder Hersteller austausch­barer Komponenten verfügen. Erstere sind in der vorteil­haften Lage mittels Value Based Selling Strategien kunden­spe­zi­fische Vorteilsstrategien aufzu­zeigen, um so dem harten Preiswettbewerb zu entfliehen.

Noch sind Maschinen- und Anlagenbauer im Vergleich zu Autozulieferern besser in der Lage, in den Verhandlungen ein Gegengewicht aufzu­bauen. So belegt unsere Studie inter­es­san­ter­weise, dass rund 80 Prozent der Verkäufer ihren Kunden immer noch die Offenlegung ihrer Kalkulation verweigern. Hier haben sich die Einkäufer mit ihren Forderungen bislang noch nicht durch­ge­setzt. Entsprechend schwer haben es deshalb die Einkäufer, die Vergleichsangebote einzu­schätzen. Doch wenn es erst einmal zu längeren Verhandlungen gekommen ist, steigt die Auftragswahrscheinlichkeit deutlich an. In diesen Fällen haben am Ende 80 Prozent der Anbieter auch als „Belohnung“ einen Auftrag erhalten.

Auch die Gesprächsatmosphäre ist zur Zeit noch angenehmer wie für Lieferanten im Fahrzeugteile-Sektor. Überraschenderweise erleben mehr als zwei Drittel der Maschinen- und Anlagenbauer die Verhandlungen in sachlich-konstruktiver bis sogar zielfüh­render Weise. Die aggressiv-fordernde Art der Einkäufer ist in diesem Bereich noch in der Minderheit. Jeder Siebte Maschinenbauer aller­dings empfinde das Klima so „eisig“, „rigoros“ und „unfair“ wie die Preisrunden im Fahrzeuggeschäft. Der Verhandlungsdruck bleibt somit sehr hoch.

Bei näherer Betrachtung des Weiterbildungsmarktes zeigt sich, dass die Unternehmen derzeit viel mehr Geld in die Ausbildung der Einkäufer stecken als in die Qualifizierung des Vertriebes. In unserer Studie zeigt sich: Den technisch ausge­bil­deten Maschinen-Verkäufern sitzen immer häufiger kaufmännisch-psychologisch geschulte Einkäufer gegenüber, die sich als knall­harte Verhandlungspartner erweisen und bis an die Grenzen der Fairness gehen. Besonders erbost reagieren viele Ausrüster, wenn „Tatsachen verdreht werden“ und taktisch „geblufft“ wird. Obwohl die Anlagen oft nicht mit Konkurrenzangeboten vergleichbar sind, stellen die Beschaffer gern unsach­gemäße oder pauschale Vergleiche an. Um den Druck im Preispoker zu erhöhen, setzen viele Einkäufer zudem auf taktische Zeitverzögerungen und hängen ständig Nachforderungen an. Das betrifft vor allem Service- und Garantieleistungen sowie zusätz­liche Boni und längere Zahlungsziele. So müssen Maschinen heute oft mit einer völlig unrea­lis­ti­schen Zeitvorgabe gebaut, instal­liert und hochge­fahren werden. Von einer normalen Durchlaufzeit von neun Monaten für eine Sondermaschine kann oft mehr keine Rede sein. Der Maschinenbauer findet sich bei Auftragserteilung bereits in Verzug und unter diesem Druck erhofft sich der Einkauf weitere Zugeständnisse. Allerdings gewinnt dann auch manchmal die schnellere Lieferfähigkeit gegenüber Rabattforderungen.

So setzen Großkunden in den Preisrunden im Schnitt Nachlässe von rund 10 Prozent durch; gefordert wurden anfangs 17 Prozent Rabatt. Somit werden von den Konzernen bei Maschinen- und Anlagenbauern rund 60 Prozent der Ursprungsforderungen durch­ge­drückt. Und damit werden 5 % mehr Zugeständnis gegeben als noch bei der ersten Maschinenbaustudie vor zwei Jahren. Angeführt wird das Feld natürlich wieder einmal von den Einkäufern aus dem Automobilbereich. Hier wurden im Schnitt eine Reduktion von 18,3 Prozent gefordert. Als Nachlass gegeben wurden dann schließlich 12,1 Prozent. Dahingegen lag die die Erfüllungsquote im Nicht-Automobilsektor mit 9,4 Prozent von verlangten 17,1 Prozent nur bei etwas über der Hälfte.

Geködert werden die Lieferanten anderer­seits mit Folgeaufträgen oder mit einem größeren Auftragsvolumen.

Diesem Cherry-Picking können die Maschinenbauer vor allem mit ganzheit­lichen Konzepten im Sinne des Value Based Selling begegnen. Mit klar diffe­ren­zierten Produkten und dem Bewusstsein um die eigenen Stärken kann der deutsche Maschinenbau weiterhin gut „verzahnt“ bleiben. Seine Stärken müssen aller­dings zwingend mit einer umfas­senden Angebots-Strategie einher­gehen, um den geschaf­fenen Kundenvorteil bzw. Mehrwert auch zu kapitalisieren.

Für Hersteller von Maschinen und Ausrüstungen wird das kaufmän­nische, psycho­lo­gische und wertba­sierte Verkaufen immer wichtiger 

Der Trend ist eindeutig: Die Einkäufer aus der Automobilbranche geben den Takt vor: Die Preisdrückerei zeigt hier, dass so manche Einkaufsmethode aus dem Kfz-Geschäft nach und nach auf die Fabrikausrüster übertragen wird. Und hierunter leidet dann die Atmosphäre in den Auftragsverhandlungen.

Ungefähr 25% der Verkäufer bezeichnet das Klima der Verhandlungen als „angespannt“, „aggressiv“, „frostig“ oder „knochenhart“. Insgesamt empfinden fast zwei Drittel der Befragten den Verhandlungsdruck als hoch oder als überdurch­schnittlich. Interessanterweise erhalten immerhin dennoch nahezu 90% der Anbieter aus dem Industriegütergeschäft am Ende den Zuschlag. Hier helfen die ferti­gungs­tech­nische Präzision, die Verlässlichkeit sowie die starke Lieferfähigkeit.

Mit zeitauf­rei­benden takti­schen Tricks treiben „unfaire“ Einkäufer den Vertriebler in einen immer größeren Zeitdruck. Die Anlage wird möglichst spät in Auftrag gegeben und der Maschinenbauer fühlt eine zuneh­mende „Konventionalstrafen-Angst“, nämlich die Sorge, wie er mit diesem Lieferverzug klar kommt. Nicht selten müssen dann Überstunden und Sonderschichten helfen, um diese Verspätung wieder aufzu­holen. Denn wer will als Lieferant schon das hohe Risiko eingehen, schon weit vor einer als unsicher darge­stellten Auftragserteilung mit der Produktion von Kernkomponenten zu beginnen?

Fazit unserer Marktstudie: 

  1. Die Verfolgung einer durch­dachten Value Based Selling Strategie ermög­licht es, eine technische Alleinstellung deutlich besser zu vermarkten und die damit verbun­denen Mehrwerte auch zu kapita­li­sieren. Maschinenbaukunst ist heute nur die eine Seite der Erfolgsmedaille!
  2. Es sollte nicht value-orientiert angeboten werden und dann mit dem Einkauf preis­ori­en­tiert verhandelt werden. Der Paradigmenwechsel mitten im Vergabeprozess unter­gräbt die eigene Position!
  3. Erfolgreiche Unternehmen mit Technik- und Value Selling-Kompetenz behalten den Gestaltungsspielraum. Verkäufer werden hier wesentlich stärker mit psycho­lo­gi­schen Kenntnissen ausge­bildet. Intuition bzw. der „gute Riecher“ im Verkauf wird dort trainiert, um deutlich bessere Verhandlungsergebnisse zu erzielen!


Redaktioneller Hinweis und Quellen:

Die 2. Marktstudie über Preis- und Auftragsverhandlungen im Maschinenbau 2013 / 2014 basiert auf 153 Interviews mit deutschen Herstellern von Maschinen und Ausrüstungsgütern. Das Ziel: Die Hintergründe aktueller Beschaffungsmethoden und Preisverhandlungs-Strategien ihrer Großkunden anhand der ausge­wer­teten Fallstudien zu unter­suchen. Grundlage der Erhebung von Oktober 2013 bis Januar 2014 war ein Katalog mit 15 Fragen, ausge­richtet auf Angebots- und Verhandlungsinhalte. Die Auswertungen aller Antworten zeigen generelle Trends auf.

Das Produktspektrum der Teilnehmer umfasst nahezu die gesamte Breite des Maschinen- und Anlagenbaus. Für die Auswertung wurde den Gesprächspartnern und teilneh­menden Firmen Anonymität zugesi­chert. Diese Untersuchung ist die einzige, welche Angebotsrunden, die durchweg hinter verschlos­senen Türen statt­finden, nach vielfäl­tigen Aspekten erhebt, anonym auswertet und analysiert.

Die Erhebung ist metho­disch an die Schwesterstudie über Preissenkungs-Forderungen gegen Teilezulieferer in der Fahrzeugindustrie angelehnt, welche die Stuttgarter Fein-Unternehmensberatung seit 2002 in Kooperation mit den US-Autoanalysten IRN (Grand Rapids / Michigan) regel­mäßig durchführt.

Herausgeber:

Prof. Dr. Marco Schmäh, ESB Business School, Reutlingen University und die

Dipl. Kfm. Hans-Andreas Fein Unternehmensberatung, Stuttgart

Bezugsquelle:

Die 2. Marktstudie über Preis- und Auftragsverhandlungen im Maschinenbau 2013 / 2014 ist zu beziehen (auch in Auszügen) beim Mit-Herausgeber und Co-Autor Dipl. Kfm. Hans-Andreas Fein, Fein Unternehmensberatung, Leuschnerstr. 58, 70176 Stuttgart.

Für Rückfragen und weitere Informationen stehen Ihnen gerne

Hans-Andreas Fein zur Verfügung;

Tel. 0711 / 615 90 73 oder

E‑mail: fein@andreasfeinmarketing.de

sowie

Professor Dr. Marco Schmäh

ESB Business School, Reutlingen University

E‑mail: Marco.schmaeh@web.de